Earle Brown, eine der zentralen Erscheinungen der zeitgenössischen Musik und führender Komponist der amerikanischen Avantgarde seit den 1950ern, starb am 2. Juli 2002 in seinem Haus in Rye, New York.
Brown war den experimentellen Komponisten John Cage, Morton Feldman und Christian Wolff freundschaftlich und auch künstlerisch verbunden; gemeinsam mit Brown wurden diese später der so genannten New York School zugerechnet.
Earle Brown wurde 1926 in Lunenburg, Massachusetts, geboren und er blieb sein ganzes Leben lang dem Neuengländer in ihm treu. Wie andere Künstler dieser Region – Ives, Ruggles und Dickinson – entwickelte auch Brown eine ganz eigene Sprache und fand seinen persönlichen künstlerischen Weg. Für Amerika galten diese Künstler als „Bilderstürmer“, für Europa hingegen repräsentierten sie Amerika. Dabei bildete Brown keine Ausnahme: Seine Musik wurde am häufigsten von den Europäern aufgeführt und studiert, am meisten gelobt und verehrt. Browns eigenes Schaffen war beeinflusst von seinem Interesse an einer großen Bandbreite ästhetischen Ausdrucks: angefangen von James Joyce’ Romanen über die Dichtung Gertrude Steins, Kenneth Patchens und anderer bis hin zum Werk der abstrakten Expressionisten (insbesondere Jackson Pollock und Alexander Calder). Erst jüngst, im Jahr 2000, äußerte er noch hierüber: „Die frühesten und immer noch vorherrschenden Einflüsse auf meine konzeptuelle Haltung gegenüber Kunst fanden sich in den Werken von Alexander Calder und Jackson Pollock: die immanenten, aber unberechenbar ‚fließenden‘ Veränderungen eines Mobiles und die kontextuelle ‚Richtigkeit’ der Ergebnisse von Pollocks Unmittelbarkeit und Spontaneität in Bezug auf die Materialien und seine besondere Vorstellung vom Werk … als einem totalen Raum (der Zeit).“ (2000)
Earle Browns Einfluss auf die Avantgarde-Gemeinschaft war nicht nur philosophischer, sondern auch von direkt greifbarer und praktischer Art. Seine Dirigiertechniken und seine Experimente mit der „time notation“ (Zeitnotation), der Improvisation und der Kompositionsstruktur der offenen Form wurden Teil des zeitgenössischen kompositorischen Handwerks. Geradezu legendär waren seine Musiker-Freundschaften, die von Bruno Maderna, der die Uraufführung zahlreicher Werke Browns dirigierte, bis zu Jazz-Größen wie Zoot Sims und Gerry Mulligan reichten.
Brown erhielt viele Aufträge, Einladungen als Composer in residence und zahlreiche Preise, darunter einen Guggenheim Preis. Ein Ehrendoktortitel wurde ihm vom Peabody Conservatory of Music (1970) verliehen, wo er den W. Jones Lehrstuhl für Musik innehatte. Daneben erhielt er unter vielen anderen den John Cage Preis von der Foundation for Contemporary Performance Arts. Als Composer in residence war Brown am California Institute of the Arts, an der Universität Yale, bei den Tanglewood und Aspen Music Festivals, an der American Academy in Rom und am Baseler Konservatorium tätig.
Am 20. November 2002 veranstaltete das Museum of Modern Art eine Hommage an einen der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts: „In Memoriam: Ein Konzert mit ausgewählten Werken von Earle Brown.“ Das Programm beinhaltete Werke, die Brown zusammen mit seiner Frau Susan kurz vor seinem Tod selbst ausgewählt hatte. Sie dokumentieren seinen kompositorischen Werdegang: Music for Violin, Cello and Piano (1952), Corroboree (1964), New Piece (1971), Centering (1973), Tracking Pierrot (1992) und Special Events (1998).