Verlagsgeschichte

Am 1. Dezember 1800 gründete der zuvor in Wien tätige Komponist und Dirigent Franz Anton Hoffmeister (1754–1812) zusammen mit dem Organisten Ambrosius Kühnel (um 1770–1813) in Leipzig ein Bureau de Musique. Das Geschäft umfasste den Handel mit Instrumenten – Kunden waren u.a. Goethe und Beethoven – sowie den Verlag von Büchern und Musikalien. Zu den ersten Veröffentlichungen der Firma zählten neben Streichquartettsammlungen von Haydn auch Quartette und Quintette von Mozart. Mit den Klavierwerken von J. S. Bach (damals ein weitgehend vergessener Name) in 14 Bänden wurde eine der frühesten „Werkausgaben“ der Musikgeschichte vorgelegt; ergänzt wurde sie durch J. N. Forkels berühmte Bach-Monografie – die erste ihrer Art. Schon 1802 konnte man sich zudem mit Beethoven über die Veröffentlichung mehrerer Werke einigen, darunter neben Klavier- und Kammermusik auch seine erste Sinfonie und das Klavierkonzert B-Dur.

Als Hoffmeister 1805 nach Wien zurückging, führte Kühnel das Geschäft als Alleineigentümer weiter. Es folgten eine Gesamtausgabe der Bach’schen Orgelwerke (hrsg. von Forkel) sowie zahlreiche Lehrwerke, darunter Klavieretüden von Clementi, Cramer und Pleyel, die Violinschulen von Rode und Kreutzer, musiktheoretische Schriften von Albrechtsberger und Marpurg sowie das Neue historisch-biographische Lexikon der Tonkünstler von Gerber. Im Jahr 1812 kamen Werke der frühen Romantik hinzu, u.a. von Weber und Spohr; letzter blieb dem Verlag über mehrere Jahrzehnte verbunden.

Nach dem frühen Tod von Kühnel erwarb der Leipziger Buchhändler Carl Friedrich Peters (1779–1827) die Firma, die seither seinen Namen trägt. Trotz der wirtschaftlichen Nachwirkungen der Befreiungskriege konnte er bestehende Geschäftsbeziehungen zu Komponisten ausbauen und daneben Werke von Hummel und Ries sowie einige der frühen Nocturnes von John Field in das Verlagsprogramm aufnehmen. Verhandlungen mit Beethoven über eine Gesamtausgabe seines Schaffens blieben leider erfolglos. Nach langer Krankheit starb C. F. Peters im Jahr 1827.

C F PetersCarl Friedrich Peters

Der Kaufmann und Musikliebhaber Carl Gotthelf Siegmund Böhme (1785–1855) – Vormund der Tochter von Peters – übernahm das Geschäft 1828 und machte sich als Verleger schnell einen Namen. Angesichts der allgemeinen Bach-Renaissance setzte er auf weitere Ausgaben von dessen Werken und konnte dafür so renommierte Herausgeber wie Carl Czerny und Moritz Hauptmann gewinnen. Daneben spielte Böhme eine wichtige Rolle bei der Gründung des Vereins der Musikverleger gegen musikalischen Nachdruck, einer wegweisenden Organisation, zu deren 16 Mitgliedern auch andere Leipziger Häuser wie Breitkopf & Härtel und Hofmeister zählten.

Wie von Böhme testamentarisch verfügt, wurde die Firma nach seinem Tod in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt, die unter Aufsicht des Leipziger Stadtrats stand. Fünf Jahre später kam es nach dem Rücktritt des Geschäftsführers Theodor Whistling zum Verkauf des Verlags an den Berliner Buch- und Musikalienhändler Julius Friedländer (1827–1892). Mit Friedländer hielt eine Reihe von technischen Innovationen im Bereich von Notensatz und Herstellung Einzug. Vor allem dank seines bahnbrechenden Schnelldruckverfahrens, das auf der Verwendung der Rotationspresse für den Notendruck beruhte, konnten die Herstellungskosten auf einen Bruchteil reduziert werden.

Am 1. April 1863 wurde Dr. Max Abraham (1831–1900) Teilhaber des Unternehmens und übernahm die Geschäftsführung. Er erkannte das enorme Potenzial von Friedländers Neuerungen und begründete 1867 in Zusammenarbeit mit der Leipziger Druckerei C. G. Röder die berühmte Reihe „Edition Peters“, in der als erster Titel Bachs Wohltemperiertes Klavier (hrsg. von Czerny) erschien. Die günstigen Preise, zu denen Abraham diese qualitativ hochwertigen Ausgaben anbieten konnte, läuteten einen grundlegenden Wandel im Musikalienmarkt ein, denn zum ersten Mal wurde es für weite Teile des Bürgertums erschwinglich, Noten zu kaufen statt zu leihen. In der Folge eroberte sich das Unternehmen eine international führende Rolle, und der bald weithin bekannte Reihentitel „Edition Peters“ wurde zum Synonym für den dahinterstehenden Verlag. Anfangs wurden zwei verschiedene Aufmachungen verwendet: Während ein rosafarbener Einband rechtlich geschützte Werke der zeitgenössischen Literatur kennzeichnete, erschien das restliche Repertoire in der noch heute unverkennbaren lindgrünen Gestaltung. Bis 1900 sollte die Reihe um zahlreiche Werke so bekannter Komponisten wie d’Albert, Brahms, Bruch, Dvořák, Flotow, Franz, Gade, Liszt, Loewe, Lortzing, Meyerbeer, Moszkowski, Raff, Sinding, Smetana, Vieuxtemps und Wagner anwachsen.

Max AbrahamMax Abraham

Dem Verlag besonders eng verbunden war bis an sein Lebensende der Komponist Edvard Grieg. Abraham hatte schon kurz nach seinem Eintritt in die Firma Griegs Werke op. 1 und 2 zur Veröffentlichung angenommen – wenige Monate nach dessen Abschluss am Leipziger Konservatorium. Im Jahr 1874 zog der Verlag vom ehemaligen Wohnhaus Felix Mendelssohns, das sieben Jahre lang als Unterkunft gedient hatte, in einen prachtvollen, vom Architekten des Bayreuther Festspielhauses, Otto Brückwald, entworfenen Neubau in der Talstraße 10. Grieg war hier ein häufiger Gast und bewohnte ein Appartement in den oberen Stockwerken, wo er auch komponierte, um die veröffentlichungsreifen Werke anschließend in den Geschäftsräumen im Erdgeschoss abzuliefern.

Friedländer zog sich 1880 zurück, und das florierende Unternehmen ging in den alleinigen Besitz von Abraham über. Die Einkünfte aus dem Verlagsgeschäft ermöglichten es ihm, die Musikbibliothek Peters einzurichten – eine wertvolle Sammlung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Erstausgaben, Autografen (darunter Handschriften von Bach und Mendelssohn) und anderen Quellen. Als eine der ersten Institutionen ihrer Art war sie ab 1894 in einem benachbarten Gebäude öffentlich zugänglich. Zudem erlaubten Abrahams Stiftungsmittel die Veröffentlichung von Jahrbüchern, die sich schnell zu einem zentralen Forum des noch jungen Fachs Musikwissenschaft entwickelten.

Ebenfalls im Jahr 1894 machte Abraham seinen Neffen Dr. Henri Hinrichsen (1868–1942), der sich über lange Zeit eine führende Stellung im Hause erarbeitet hatte, zum Teilhaber des Verlags. Hinrichsen war ganz dem Ethos seines Onkels verpflichtet und verhalf dem Unternehmen nach Abrahams Tod im Jahr 1900 zu weiteren Erfolgen. Als engagiertem Mäzen war ihm daran gelegen, das Geschäftliche mit dem Künstlerischen zu verbinden, und er stand mit vielen der führenden Komponisten seiner Zeit in Verbindung.

Henry HinrichsenHenri Hinrichsen

Den Peters-Katalog erweiterte er um Werke von Mahler, Pfitzner, Reger, Schönberg und Wolf, ehe er 1932 die ersten sieben Tondichtungen von Richard Strauss erwerben konnte. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung von „Urtext“-Ausgaben, die sich so eng wie möglich an den Intentionen des Komponisten orientierten. Über den Verlag hinaus ermöglichte Hinrichsens finanzielles Engagement nicht nur die Gründung von Schulen und andern Bildungseinrichtungen – einschließlich der ersten deutschen Hochschule für Frauen –, sondern auch den Ankauf einer wertvollen Instrumentensammlung, aus der später das Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig hervorging.

Henri Hinrichsens Söhne Max (1901–1965), Walter (1907–1969) und Hans-Joachim (1909–1940) nahmen in den 1930er Jahren allesamt eine Tätigkeit im Verlag auf, doch nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten begann die Diskriminierung der Familie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung. Mit wachsendem Bestürzen musste Henri Hinrichsen zur Kenntnis nehmen, dass sein gesellschaftliches Wirken und Ansehen ihn nicht vor privaten und geschäftlichen Restriktionen bewahrten. Schließlich erhielten er und sein Sohn Hans-Joachim – mittlerweile Teilhaber der Firma – im Jahr 1938 Berufsverbot. Ein Jahr später kam es zum Zwangsverkauf des Verlags im Zuge der „Arisierung“. Henri Hinrichsen, seine Frau Martha, die Söhne Hans-Joachim und Paul sowie zahlreiche weitere Familienmitglieder verloren unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten ihr Leben.

Max Hinrichsen und seine junge Familie hatten Deutschland 1937 verlassen, um sich in London anzusiedeln. Dort gründete er die Firma Hinrichsen Edition Ltd, die später in Peters Edition Ltd umbenannt wurde. Nach jahrelangem Kampf um die Rechte am Peters-Katalog errang er 1951 vor dem Obersten Gerichtshof einen uneingeschränkten Sieg. Neben dem Fortführen der Leipziger Tradition setzte Max Hinrichsen Schwerpunkte im Bereich der der Orgelliteratur, des englischen Brass-Band-Repertoires und der zeitgenössischen britischer Musik. Nach seinem Tod übertrug seine Witwe Carla Hinrichsen die Londoner Firma an die von ihr gegründete Hinrichsen Foundation, eine gemeinnützige Stiftung, deren Zweck in der Förderung zeitgenössischer Musik besteht.

Max HinrichsenMax Hinrichsen

Max’ Bruder Walter Hinrichsen war 1936 in die USA ausgewandert, wo er später die New Yorker Firma C. F. Peters Corporation aufbaute – beginnend mit dem Nachdruck von Leipziger Titeln. In der Nachkriegszeit machten er und seine Frau Evelyn sich dann als Anwälte der zeitgenössischen amerikanischen Musik einen Namen. So nahmen sie etwa den jungen John Cage unter Vertrag und bauten C. F. Peters Corp. zu einem angesehenen Verlag mit eigenständigem Profil aus. Das Unternehmen ging später in den Besitz ihrer Kinder Martha (1948–2016) und Henry (1949–2016) über.

Walter HinrichsenWalter Hinrichsen

Schon unmittelbar nach Kriegsende kehrte Walter als amerikanischer Staatsbürger und Musikoffizier der US-Armee nach Leipzig zurück. Gemeinsam wirkten er und sein Bruder Max auf eine Verlegung des Firmensitzes aus der Sowjetischen Besatzungszone nach Frankfurt am Main hin. Am neuen Standort kam es zu einer schwierigen Zusammenarbeit mit Dr. Johannes Petschull (1901–2001), der seit 1939 den Leipziger Verlag geleitet hatte und nun gemeinsam mit den Hinrichsen-Brüdern Teilhaber des Frankfurter Unternehmens wurde. Petschull hatte das Musikalienangebot durch die Übernahme von Henry Litolff’s Verlag im Jahr 1940 erweitert, und es folgten weitere Ankäufe: 1974 wurde die Edition Schwann (gegr. 1821) erworben, fünfzehn Jahre später C. F. Kahnt – ein ebenfalls aus Leipzig stammender Verlag, dessen Geschichte bis in das Jahr 1851 zurückreicht.

Das Peters-Stammhaus in Leipzig – 1949 verstaatlicht – blieb auch zu DDR-Zeiten Garant für anspruchsvolle Notenausgaben und konnte sich auf eine hervorragende Belegschaft stützen. In Zusammenarbeit mit Herausgebern wie dem Bach-Spezialisten Hans-Joachim Schulze entstanden neue Urtext-Ausgaben, die ein breites Spektrum der Musikgeschichte von Vivaldi bis Skrjabin abdeckten. Außerdem wurden zahlreiche Werke führender ostdeutscher Komponisten verlegt, darunter Paul Dessau, Hanns Eisler, Georg Katzer, Rudolf Wagner-Régeny und Ruth Zechlin.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wuchs der Peters-Gesamtkatalog, der Ausgaben sämtlicher Firmen in sich vereinte, auf über 12.000 Titel. Nach wie vor wurde großer Wert auf das zeitgenössische Repertoire gelegt, und die „westlichen“ Peters-Häuser nahmen in dieser Zeit u.a. George Crumb, Morton Feldman, Brian Ferneyhough, Vinko Globokar, Mauricio Kagel, György Ligeti und Christian Wolff unter Vertrag.

Auf den Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung folgten jahrelange Wirren und Streitigkeiten um die Eigentumsverhältnisse am Leipziger Stammhaus, das 1993 schließlich in den Besitz der Frankfurter Firma gelangte. Infolge unternehmerischer Entscheidungen von Dr. Petschull musste der Betrieb in Leipzig fast vollständig eingestellt werden, und als einziger Repräsentant des Verlags verblieb der frühere langjährige Geschäftsführer Norbert Molkenbur. Das historische, fast zwei Jahrhunderte alte Leipziger Verlagshaus war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Es folgten wiederholte Versuche, die dem Unrecht des 20. Jahrhunderts geschuldete Zersplitterung in Einzelfirmen zu überwinden. Als einschneidend erwies sich die im Jahr 1995 erfolgte Berufung von Nicholas Riddle zum Geschäftsführer des Londoner Unternehmens. Er erkannte, dass Peters der Sprung ins 21. Jahrhundert nur mit vereinten Kräften, in den Händen gemeinsamer Eigentümer und durch den Einsatz neuer Technologien gelingen würde. Mit diesem Ziel vor Augen – und nach mehreren Anläufen – konnten die Peters-Firmen und ihre Anteilseigner schließlich 2010 eine Vereinbarung unterzeichnen, mit der die Gründung der Edition Peters Group und der Ausstieg der Erben von Dr. Petschull vollzogen wurden. Mehrheitseigentümerin der Gruppe ist seither die Hinrichsen Foundation – die mit ihren Einkünften aus dem Verlagsgeschäft Musikleben und musikalische Bildung fördert –, während die restlichen Anteile von Christian Hinrichsen, einem Enkel von Walter Hinrichsen, gehalten werden.

Schon bald wandte sich die junge Unternehmensgruppe wieder ihrer alten Heimat Leipzig zu, und historische Bande wurden neu geknüpft. Im Jahr 2011 kehrte zunächst die Leihbibliothek für den gesamten europäischen Markt zurück nach Leipzig und hauchte dem altehrwürdigen Gebäude in der Talstraße 10 neues Leben ein. Nach langjährigen Verhandlungen kam 2013 ein Kaufvertrag zwischen den Erben von Henri Hinrichsen und der Stadt Leipzig zustande, mit dem der dauerhafte Verbleib der wertvollen Musikbibliothek Peters gesichert werden konnte. Zuletzt wurde 2014 die Frankfurter Niederlassung geschlossen und der Hauptsitz der Edition Peters Group nach Leipzig zurückverlegt – dorthin, wo die Geschichte des Verlags mehr als 200 Jahre vorher begonnen hatte.

Literaturauswahl

Erika Bucholtz: Henri Hinrichsen und der Musikverlag C. F. Peters: deutsch-jüdisches Bürgertum in Leipzig von 1891 bis 1938, Tübingen 2001

Sophie Fetthauer: Musikverlage im „Dritten Reich“ und im Exil, 2. Aufl., Hamburg 2007

Edvard Grieg: Briefwechsel mit dem Musikverlag C. F. Peters: 1863–1907, hrsg. v. Finn Benestad u. Hella Brock, Frankfurt 1997

Irene Lawford-Hinrichsen: Music publishing and patronage: C F Peters – 1800 to the Holocaust, Kenton 2000

Norbert Molkenbur: C. F. Peters 1800–2000: Ausgewählte Stationen einer Verlagsgeschichte, Leipzig 2001

Max Reger: Briefwechsel mit dem Verlag C. F. Peters, hrsg. v. Susanne Popp u. Susanne Shigihara, Bonn 1995

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